Muss man während Corona Urlaub machen? | Kirsten Wendt

15 Apr 2021  Kirsten  4 minuten lesezeit.

Muss man während Corona Urlaub machen?

Ja, schon wieder!

Wir feiern Marcus‘ 50. Geburtstag im Mai auf den Malediven. Und es ist uns gar nicht peinlich. Man gewöhnt sich an die Reaktionen und wird selbstbewusster. Immerhin waren wir während der Pandemie schon mehrfach unterwegs, sowohl beruflich als auch privat, wobei sich das bei uns ohnehin immer vermischt. Bisher fühlten wir uns überall sicherer als zu Hause, weil wir die Urlaubsorte sorgfältig auswählen.

Daheim gehen wir in den Supermarkt, wo sich angeblich niemand ansteckt. In Dubai wagt man noch nicht mal zuzugeben, drei Boutiquen betreten zu haben. In Deutschland treffen wir unsere arbeitenden, studierenden und die Schule besuchenden Nachbarn und Familienmitglieder, bei denen bis kürzlich kein Hahn nach Testergebnissen krähte. In Marbella fühlten wir uns beim Strandspaziergang ohne Maske wie Verräter. Vollkommen verrückt.

Marcus und ich beim Landgang in Malmö, Schweden, während unserer Kreuzfahrt auf der MS Europa 2

Landgang in Malmö, Schweden - MS Europa 2 Kreuzfahrt

Weder sind wir scharf auf eine eigene Ansteckung, noch möchten wir Dritte gefährden oder leichtsinnig handeln. Außerdem sind uns schon häufiger Stäbchen in Rachen und Nase gesteckt worden als so manch anderem, und wir halten uns an die Quarantäne-Regeln. Kurzum: Verboten ist nichts von dem, was wir tun. Wir geben viel selbstverdientes Geld für möglichst viel Sicherheit aus, um zu leben, zu arbeiten und Inspiration zu finden.

Die Frage, die Marcus am häufigsten gestellt wird, lautet: „Woher nimmst du nur all deine Ideen?“ Absolut berechtigt. Die ehrliche Antwort gefällt allerdings nicht jedem: „Ohne Reisen geht’s nicht.“ Er veröffentlicht alle zwei Monate einen neuen Roman und gehört zu den erfolgreichsten Thrillerautoren Deutschlands. So viel Angeberei packen wir eigentlich nur als Werbung in den Klappentext, dabei ist es die Wahrheit. Doch man posaunt es nicht öffentlich heraus, weil es eingebildet klingt und Deutschland bekanntlich ein Volk von Neidern und Denunzianten ist. Besonders in Corona-Zeiten wird das nun deutlich unter Beweis gestellt.

Es fühlt sich noch neu an auf dieser Seite, das gebe ich ehrlich zu. Zwar waren wir beide von Anfang an – damals noch unabhängig voneinander – mit unseren Büchern recht erfolgreich, aber während es sich bei mir auf ein gesundes Maß einpendelte, gehen Marcus‘ Bücher seit ein paar Jahren durch die Decke. Selfpublisher müssen viel und regelmäßig veröffentlichen, sonst verschwinden sie in der Versenkung, daher haben wir uns für ein Leben entschieden, das aus sehr viel Arbeit besteht. Besonders für Marcus, der Tag für Tag schreibt, schreibt, schreibt. Und der Ideen braucht, die nicht allein am Schreibtisch entstehen können; so was funktioniert auf Dauer einfach nicht. Eine durchgetaktete Tagesstruktur ist das A und O, sowohl daheim als auch im Urlaub. Wir konzentrieren uns hauptsächlich auf Marcus‘ Bücher, weil dieses Vorgehen effektiver und gesünder für uns beide ist. Im Durchschnitt veröffentliche ich nur noch drei Bücher im Jahr. Eine Zahl, für die sich kein Verlagsautor schämen müsste, aber für die ich als Selfpublisher regelmäßig blöde Sprüche kassiere. „Verlässt du dich etwa nur noch auf deinen Mann? Schreib doch mal wieder mehr!“

Tja, die Wahrheit ist: Ich kann das nicht. Ich will es auch gar nicht. Wenn Marcus‘ Romane aus dem Lektorat zurück sind, korrigiere ich sie. Fast immer stehen wir vor einer Veröffentlichung unter großem Zeitdruck, und es ist unglaublich erleichternd, nicht mehr selbst ständig am eigenen Manuskript zu sitzen. Wenn ich jetzt weiß, dass in zwei Wochen das nächste Korrektorat lauert, genieße ich es durchaus, gerade kein eigenes Buch, wiederum mit Deadlines für Lektorat und Korrektorat, in die Tasten zu kloppen. Immer funktioniert das nicht, so wird zum Beispiel auf den Malediven Marcus endlich mal nichts tun können, dafür aber ich korrigieren müssen. Es gibt wirklich Schlimmeres als ein Arbeitsplatz am Infinitypool. Wir beklagen uns nicht und sind äußerst dankbar für diese Freiheit! Weder habe ich so viele Ideen wie mein Mann, noch bin ich leistungsfähig wie er, außerdem haben wir Privates zu erledigen, das ich nicht nach außen trage und ebenfalls Zeit und Kraft in Anspruch nimmt. Kurzum: Das Reisen ist wunderschön und nötig. Es ist unser Lebensmodell, wir genießen es sehr, und wir verdienen damit unseren Lebensunterhalt.

Marcus an Bord der MS Europa 2 bei seiner Lesung

Beeindruckende Atmosphäre und Umgebung auf dem Luxus-Kreuzfahrtschiff

Häufig heißt es auch: „Ihr müsst euch doch nicht rechtfertigen!“ Tja, irgendwie doch. Denn negative Stimmen kommen nicht nur von außen, sondern auch von Familie und Freunden. „Das viele Reisen muss doch nicht sein!“ Doch, sag ich jetzt ein letztes Mal in aller Deutlichkeit. Es muss sein. Übrigens stammt die Kritik oft genau von denjenigen, die derzeit über die Belastungen im Homeoffice klagen. Wir haben und hatten immer Homeoffice, noch vor wenigen Jahren saßen sowohl Marcus als auch ich bei der Arbeit in unseren jeweiligen Wohnzimmern. Da waren Kinder, Haustiere, Schule, Studium, Ausbildung, Hausarbeit und all das, was nun sehr viele beklagen, ebenfalls unser Leben. Plus der Arbeit als freischaffender Künstler.

Wir haben uns unser jetziges Leben verdient. Es ist ein Segen, wenn ein Schriftsteller genügend Kohle für tolle Dinge erwirtschaftet – für uns sind das eine schöne Wohnung und viele Reisen, ein Auto hingegen haben wir zum Beispiel nicht. Möge doch jeder sein Leben gestalten, wie er es für richtig hält, solange es niemandem wehtut und er die Verantwortung dafür übernimmt.

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